- Tenderverfahren
- Tẹnderverfahren[englisch tender »Angebot«], Ausschreibungsverfahren zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, aber auch von standardisierten (homogenen) Gütern. Beim Mengentender (Festsatztender) gibt die ausschreibende Institution den Zinssatz vor, während die Teilnehmer Gebote über den Betrag abgeben, den sie bereit sind, zu diesem Festsatz zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Die ausschreibende Institution legt schließlich die Menge fest; gegebenenfalls wird zu einer für alle Bieter einheitlichen Quote zugeteilt (repartiert; Repartierung). Beim Zinstender (Tender mit variablem Zinssatz) nennen die Teilnehmer in ihren Geboten sowohl den gewünschten Betrag als auch die Zinssätze, wobei in der Ausschreibung auch ein Mindestbietungssatz angegeben werden kann. Die Gebote werden in der Reihenfolge der genannten Zinssätze berücksichtigt, wobei die Beträge mit dem höchsten Zinsgebot zuerst bedient werden. Zugeteilt wird die intern festgelegte Gesamtmenge entweder zu einem für alle einheitlichen (marginalen) Zins (holländische Zuteilungsmethode) oder zu den individuellen Bietungssätzen (amerikanische Zuteilungsmethode).Tenderverfahren werden auch von den Zentralbanken im Rahmen ihrer Offenmarktgeschäfte zur Liquiditätszuführung oder -abschöpfung zum Zwecke der Geldmarktsteuerung angewendet. So unterscheidet das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) zwei Arten von Tenderverfahren: Während die Standardtender, v. a. die wöchentlich angebotenen Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Laufzeit etwa 2 Wochen) und die im Monatsrhythmus stattfindenden längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Laufzeit etwa 3 Monate), als Mengen- oder als Zinstender innerhalb von 24 Stunden (von Tenderankündigung bis zur Bestätigung des Zuteilungsergebnisses) durchgeführt werden, wird bei den zur Feinsteuerung herangezogenen Schnelltendern, mit einer wesentlich begrenzteren Anzahl von Teilnehmern, dafür nur eine Stunde benötigt.Im Rahmen der Mengentender besteht einerseits das Problem, dass aufgrund zu geringer Gebote die gewünschte beziehungsweise aus Sicht der Geldpolitik erforderliche Zuteilungsmenge nicht erreicht wird. Andererseits kann es unter Antizipation etwaiger Repartierungsquoten, aber auch in Verbindung mit Zinserhöhungserwartungen zu erheblich über dem Zuteilungsbedarf liegenden Geboten kommen, was in der Konsequenz zu extrem niedrigen Repartierungsquoten führt. So beliefen sich z. B. die Gebote für das Hauptrefinanzierungsgeschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) am 7. 6. 2000 auf fast 8 500 Mrd. Euro; in Verbindung mit einer Zuteilung in Höhe von 75 Mrd. Euro ergab sich eine Repartierungsquote von unter 0,9 %. Vor dem Hintergrund derartiger Diskrepanzen ist die EZB Ende Juni 2000 bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften vom Mengentender- zum Zinstenderverfahren übergegangen. Problematisch beim Zinstender ist das weniger eindeutige Zinssignal der Geldpolitik. Während beim Mengentender der in der Ausschreibung von der Geldpolitik vorgegebene Zins eine eindeutige Leitzinsfunktion hat, kommt diese Aufgabe beim Zinstender - allerdings weniger klar - dem marginalen Zuteilungssatz beziehungsweise dem vorgegebenen Mindestbietungssatz zu. Vorteile bietet der Zinstender allerdings bei der Einleitung unpopulärer Zinserhöhungsschritte, da über eine geldpolitisch induzierte Verknappung der Zuteilungsvolumina, mit der unmittelbaren Folge höherer marginaler Zuteilungssätze, die Verantwortung für die Zinserhöhungen anonymen Marktkräften zugewiesen werden kann.
Universal-Lexikon. 2012.